Lager Hiddenhausen

Diese Seiten zum Thema des mumaßlichen Varuslager in Hiddenhausen sind in stetiger Bearbeitung und werden sich mit dem aktuellen Stand der Forschungen beschäftigen.

Lagerte Varus in Hiddenhausen?

Seit 2006 beschäftigt mich das Feld “Auf dem Hagen” von Hiddenhausen-Oetinghausen bei Herford. Das Feld geriet in den Focus, seit dem wir nach dem Anmarschweg des Varus auf Kalkriese suchen. Dafür gibt es im Prinzip nur zwei sinnvolle Alternativen: Einmal direkt von Osten (Minden) her, so wie es 1885 Theodor Mommsen als Erstes vorgeschlagen hatte. Oder zweitens, ein Anmarschweg von Südosten her, der unweigerlich an Herford vorbei führen musste.

Die Spur ist Cassius Dio, der uns die einzige ausführliche Beschreibung der Schlacht hinterlies, und zweitens die archäologischen Spuren, so etwa die sporadischen augusteschen Münzfunde. Obwohl die Mommsen’sche Vermutung bis in die heutige Zeit noch manche Anhänger hat, so war doch schon Mommsens Zeitgenossen die geringe Haltbarkeit der Mindenhypothese bewusst. Denn weder liegt Minden im Zentrum des ehemaligen Cheruskerreiches, noch ist der gleichförmig und gut begehbare Hellweg vor dem Sandforde dort mit der antiken Beschreibung des Cassius Dio in Einklang zu bringen. Letzteres war einer der Gründe, warum der Kalkrieser Fundort gut 100 Jahre in Vergessenheit geriet, bis der Britische Hobby-Militärforscher Tony Clunn der Sache neuen Schwung verlieh.

Abb.1: Die geographische Situation der römischen Okkupation bis zur Elbe (rot: die kürzeste gangbare Verbindung vom Rhein zur Elbe). Die blaue durchgezogene Route ist der wahrscheinlichste Rückweg von einem der möglichen Sommerlager. Theodor Mommsen brachte dafür Minden ins Spiel, da er versuchte die enorme Fundhäufung in Kalkriese, weitab von Hauptroute und Cheruskergebiet, damit zu erklären. Bökemeier (hellblau, südlicher Pfeil: Nachhut des Varuszuges) nahm dieses dagegen in Lügde an. Nach Tacitus durchwanderte Germanicus in 15 die Lager der Varusschlacht von der oberen Ems kommend bis zum Emstreff bei Rheine/Lingen (rot gepunktet). Der Mönch Nikulas wanderte um 1150 von Minden nach Paderborn (violett gepunktet) und notierte danach in seinem Tagebuch, er sei am Schlachtplatz Knetterheide vorbei gekommen. Dieser Weg wäre auch die Route eines Rückmarschs von Minden zur Lippe gewesen. Die zentrale Lage Hiddenhausens (großer blauer Punkt) spielt in jedem Fall eine gewichtige Rolle. Abkürzungen: SL = Sommerlager, ML = Marschlager, Hiddh. = Hiddenhausen, Germ. = Germanicus, Nik. = Nikulas Bergsson (1151-1154)

Wenn man von den, angesichts der archäologischen Funde wenig realistischen, Hypothesen absieht, bleibt nur der Südostanmarschweg. Auch dieser wurde durch einen Heimatforscher, Rolf Bökemeier, wiederbelebt. Zwar verfolgte er eine andere Hypothese bezüglich Kalkriese, jedoch machte er zu Recht auf einige Fundhäufungen aufmerksam, die durchaus einen Teil der Schlacht im Süden von Detmold vermuten lassen. Dies betrifft die Häufung augustescher Fundmünzen bei Lügde, wo Bökemeier das Sommerlager vermutete, und die Häufung südlich des Heldendenkmals, direkt vor dem Teutoburgerwald. Diese sind zwar bei weitem kleiner als in Kalkriese, statistisch aber durchaus relevant.

Nimmt man nun den begründbaren Verdacht eines Schlachtbeginns bei Bad Salzuflen ernst, so ergibt sich aus der Berechnung der Tagesmärsche ein Ort des ersten Marschlagers nordwestlich Herfords. Dieses Lager muss sich von allen anderen durch seine schiere Größe und dem notwendigerweise vorhandenen Brandhorizont abheben. Denn es war das einzige Lager der Schlacht, dass noch vollständig nach üblicher Bauweise errichtet wurde, und, indem der überflüssige Teil des riesigen Trosses zerstört und verbrannt wurde.

Zu suchen war also nach einem antiken Brandhorizont der notwendigen Größe in der Gegend. Mit GoogleEarth war dieser in 2006 schnell ausgemacht. Im Nachhinein stellten wir fest, dass dieses Feld bereits seit etwa 1930 als antiker Fundort bekannt ist. In den 90er Jahren wurden auf dem Feld zwei Grabungen durchgeführt. Besonders markant für die Datierung war ein germanisches Dorf, das knapp unterhalb des Südrandes des Lagers errichtet wurde. Während die Ausgrabung 1990 Funde des 2. bis 5. Jhd. aufwies, erwies die etwas nördlichere Ausgrabung 1994 eine Gründung der Siedlung schon Anfangs des 1.Jhd. und eine zeitweise Eisenverarbeitung dort. Ein antikes Brandgräberfeldes wurde gut 400 Meter nördlich auf dem Areal des vermuteten Lagers gefunden. Aufgrund der starken Zerstörung durch den Ackerbau war es nicht klar datierbar, entscheidend ist hier aber: Es müssen dort hunderte Menschen, und zwar zeitgleich, verbrannt und beerdigt worden sein.

Mit der Grabungserlaubnis für Metalldetektoren bis 2012 suchen wir nun nach antiken Resten auf dem Feld und mit jedem Jahr reihen sich neue Indizien aneinander. Neben einer Reihe von, mit den Kalkrieser Funden gut vergleichbaren, Metallgegenständen, Waffenteilen und Schmuck, fanden wir inzwischen auch die für römische Lager besonders typischen Lote. Es wurden sogar zwei Weihehorte gefunden. Der erste war ein Hort einmaliger römischer Goldmünzen um 330, und in 2010 nun auch silberne Denare, deren Niederlegung etwa um das Jahr 160 datiert. Obwohl diese römischen Münzen nicht in die Varuszeit fallen, bedeuten diese Münzen, so wenig wie der Fund etwa eines zwölftel-Talers von 1764, eine Datierung des Feldes in die jeweilige Zeit. Es bedeutet lediglich, dass mutmaßlich, u.a. im 2. und 4. Jhd., an dem einzigen erhaltenen Monument der Varusschlacht Weihehorte durch erfolgreiche Germanen niedergelegt wurden.

Abb.2: Blick von Südosten auf den Hagen: Die Situation im Jahre 9 ist nach den bisher erkennbaren Bodenmerkmalen rekonstruiert. Außen (grün umrandet) die Wall-Graben-Anlage, in der Mitte befanden sich zwei konzentrische Ovale von Zelten und Wagen. Im Zentrum befand sich die Unterbringung des Generalstabs. Das rote Viereck zwischen den Ovalen ist das nachgewiesene Brandgräberfeld, das blaue Viereck links ist der Bereich des nachfolgenden germanischen Dorfes. Die Größe der Zelte, Menschen und Gräben ist übertrieben gezeichnet, da sie sonst in diesem Maßstab kaum zu erkennen wären. Der An- und Abmarsch erfolgte entlang der gelben Pfeile.

Denn die weiträumige Verteilung der römisch-antiken Funde über das gesamte Areal, ohne unmittelbaren Zusammenhang mit dem germanischen Dorf, und die deutlich erkennbaren Bodenmerkmale lassen die Vermutung des gesuchten Varuslagers an dieser Stelle sehr wahrscheinlich sein. Sicherheit kann jedoch nur durch gezielte Grabungen erreicht werden. Da diese sehr aufwendig und teuer sind, wird es bis dahin noch eine Weile dauern. Derweil werden wir mit einfacheren Techniken weitersuchen, wozu außer Metalldetektoren weitere geophysikalische Messinstrumente herangezogen werden sollen.

Die Zeit für Untersuchungen wird durch den Ackerbau bestimmt, und so ist das jährliche Zeitfenster leider recht klein. Aber nun denn, mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.

Abb. 3: Luftaufnahmen des Ausgangs (oben) und des Eingangs (unten). Rechts oberhalb des Eingangs (sog. Titulumtor) sind auch noch Reste der Wall-Graben Struktur gut  zu erkennen.

Abb. 4: Lotfunde in Hiddenhausen (oben) und vergleichbare Funde aus Barkhausen (unten links) und Kalkriese (unten mitte). Lote sind Leitfunde für römische Lager.

Abb. 5: weitere Lote, Seitenansicht

Abb. 6: obige Lote von unten. In dem mittleren Lot ist noch der Rest der Aufhängung zu erkennen. Die Vielzahl der Lote in zu bekannten Fundorten ähnlicher Bauweise, weiträumig verteilt über das mutmaßliche Lagerareal, geben im großen Zusammenhang einen relativ verlässlichen Hinweis auf den historischen Kern des nachweislich antiken Feldes “Auf dem Hagen”.

 


Weitere Fundbilder finden Sie im Bereich "Virtuelles Museum", das noch im Aufbau ist und demnächst ausgebaut wird.