Das Bildnis des Arminius, I / IIX

Seite 1:   Barbaren, Vercingetorix

 

Der Wunsch sich ein Bild zu machen von dem was man für wichtig hält, und damit es der Nachwelt zu bewahren, ist so alt wie die Menschheit. Schon 30.000 Jahre alte Höhlenmalerei zeigt daher schon in erstaunlich guter Realitätsnaher Malerei, wozu der menschliche Intellekt schon so lange fähig ist. Vor der Erfindung der Fotografie im 19. Jhd. waren gemalte Bilder, dreidimensionale Reliefs, Büsten und Statuen das Mittel, Bildnisse auch über Jahrtausende hinweg zu erhalten. In Stein gehauene Geschichten, Münzbildnisse oder majestätische Statuen, in Bronze gegossene Büsten und dergleichen mehr waren natürlich nur etwas für wirklich wohlhabende und bedeutende Persönlichkeiten. Von den großen römischen Rednern, Senatoren und natürlich Imperatoren und Kaiser sind uns daher vielfältige fotorealistische Konterfeis erhalten. Ja ganze Kriegsgeschichten, regelrechte Filme, wurden auf einem steinernem Laufband auf großen Säulen erzählt, die wohl bekanntesten und noch einigermaßen gut erhaltenen sind die Trajanssäule und die Säule des Marc Aurel.

 

Während im antiken Griechenland und Rom diese komplexen und teuren Künste weit entwickelt waren, sah das im Barbaricum, den noch nicht eroberten Randgebieten um das römische Reich herum, sehr viel dürftiger aus. Die Herstellung einfacher Gebrauchs- und auch Darstellungskunst ist zwar auch dort schon lange vor Christus nachweisbar, ohne allerdings je die Perfektion römisch-griechischer Bildhauerei zu erreichen. Erst gegen Ende des Mittelalters würde man dort wieder eine vergleichbare Kunstfertigkeit neu entdecken.

 

Wenn wir also auf die Suche einer halbwegs realistischen Darstellung großer Germanenfürsten gehen, dann sind wir in der Zeit der Antike auf das angewiesen, was uns aus dem Mittelmeerraum überliefert wurde. Und man wird entgegen allgemeiner Anschauung durchaus fündig. Denn was Rom interessierte, das heißt insbesondere was den Mann und Frau auf der Straße bewegte, das wurde in Geschichten und Darstellungen transportiert. Selbst das römische Münzwesen kam hier einer bebilderten Zeitschrift gleich, denn während auf der Vorderseite des Geldes in aller Regel eine Büste des Herrschers verewigt wurde, so erzählten die Rückseiten regelmäßig kleine Bildgeschichten um Eroberungen oder auch Freud und Leid des Herrscherhauses. Natürlich waren auch die großen barbarischen Gegner Roms, gerade im Zusammenhang mit den wilden Geschichten die über die jeweils aktuellen Eroberungen verbreitet wurden, von größten allgemeinem Interesse.

Und dieses Interesse wurde natürlich bedient. So ist uns etwa von Vercingetorix, dem großen keltischen Gegner Caesars bei der Eroberung Galliens, ein römisches(!) Bildnis erhalten. Sogar ein recht gutes, wobei hinzu kommt, das er sogar auf einer Münze, einem zweifellosen Privileg der höchsten Stände, geprägt wurde.

Obwohl sein Name hier nicht direkt bezeichnet ist, ist die gut bekannte Zeitstellung der römisch-republikanischen Münze, in Verbindung mit der kleinen auf der Rückseite erzählten Militärgeschichte, ein klarer Beleg für die Identität des Abgebildeten. Auf den eigenen keltischen Münzen war er dagegen deutlich schematischer abgelichtet:

Denn die künstlerischen Fähigkeiten waren im Barbaricum begrenzt, und Vercingetorix ließ sich hier nach dem Vorbild Caesars als gleichwertiger Fürst auf Augenhöhe abbilden. Nun war Vercingetorix nicht nur ein großer Gegner, sondern auch ein Verlierer. Denn Caesar gewann die Entscheidungsschlacht in Alesia, und der besiegte Keltenfürst musste einige Jahre später während des fälligen Triumphzuges in Rom sein Leben vor Augen des begeisterten Pöbels lassen. Die nächste große Eroberung im nördlichen Barbaricum wurde dann unter Augustus, unter dem Namen Octavian noch Ziehsohn Caesars, durchgeführt.

 

Diesmal ging es um die Erweiterung des Reiches um das Gebiet östlich des Rheines und nördliche der Donau bis hin zur Elbelinie. Und hier traf man auf einen ungleich größeren Gegner, einen Gegner der letztendlich sogar Sieger blieb: Arminius. Der Krieg in Germanien dauerte über dreißig Jahre, von 16 vor bis 16 nach Christus, und war mit der demütigenden Niederlage für Rom auch noch nicht wirklich ausgestanden. Die bekannteste Schlacht dieses Krieges war die Varusschlacht des Jahres 9, in dem der zum römischen Ritter aufgestiegene Cherusker Arminius seinen eigenem Feldherrn nicht nur den Hals umdrehte, sondern auch gleich noch abschnitt und als Drohung an seinen Konkurrenten Marbod an die Donau schickte.

 

Die römischen Schriftquellen, die uns leider nur zu einem kleinen Teil erhalten sind, berichten von Arminius nur zwischen den Jahren 9 und 17, als er bis 16 den römischen Feldherrn Germanicus endgültig nieder ringt und anschließend in 17 gegen Marbod nach Böhmen zieht. Der nächste und letzte Bericht bezieht sich vermutlich auf das Jahr 21, in dem der Tod des Arminius durch eine römisch-germanische Verschwörung beschrieben wird. Wo und wie genau, darüber schreibt Tacitus leider nichts. Klar ist nur, dass ein Chatte namens Adgandestrus, die römische Umlautung für germanisch „Hadgan“, sich beim römischen Senat anbiederte Arminius zu ermorden, was angeblich von den honorigen Senatoren abgelehnt wurde. Praktischerweise für Rom fand der Mord an dem Verräter Roms, unter Beteiligung dessen eigenen Verwandtschaft, dann aber tatsächlich statt.

 

Der Erfolg des Arminius nun war, dass Germanien zwischen Rhein-Elbe-Donau dem unmittelbaren Zugriff Roms nachhaltig entzogen blieb. Und für Rom, dass der augusteische Traum vom Reich bis ans Ende der bekannten Welt endgültig ausgeträumt war. Es blieb mehr als ein Jahrhundert ruhig an den germanischen Grenzen, so lange als aus den Resten der untergegangenen Reiche des Arminius und des Marbod neue tatkräftige Stammesbünde hervor gingen: Die Markomannen im Süden und die frühen Franken im Norden. Für Rom bedeutete es die Neuauflage des alten Germanien-Traumas. Dieser Zeitpunkt markiert zudem die beginnende frühe germanische Völkerwanderung, die später noch das Ende des alten Roms besiegeln sollte, was sich zu dieser Zeit vermutlich keiner so richtig vorstellen mochte. Jedoch, richtige Ruhe würde man ab dieser Zeit nicht mehr an den germanischen Grenzen haben.

 

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