Das Bildnis des Arminius, II / IIX

Seite 2: Das Grab von Musov


Zunächst waren die Markomannen am Zug und bedrohten ab 160 wieder die römische Nordgrenze an der Donau. Von 166 bis 182 tobten die drei Markomannenkriege, sechzehn Jahre lang, in denen auch zehntausende Römer ihr Leben verloren. Besonders von mehreren Vorstößen der Römer berührt wurde dabei das Gebiet an der Thaya, sowohl im ersten als im dritten Feldzug, rund 70 km Luftlinie nördlich Wiens. Mehrere Lager wurden dort errichtet, und in dieser Zeit wurde das dort nur 1,5 km benachbarte, und heute als das reichste und bedeutendste frühe germanische Fürstengrab bekannte, Hügelgrab eines großen Germanischen Heerführers professionell geplündert und geschändet. Wer der dort beerdigte bedeutende Fürst und Krieger war, ist nicht sicher bekannt, denn wie in allen solchen Fällen ist die Identität des Toten aus den Grabbeilagen alleine nicht erkennbar.

Sicher ist nach den archäologischen Befunden jedenfalls, dass es ein ungeheuer bedeutender Germane gewesen sein muss. Ein Fürst und großer Krieger, der nicht aus dieser unmittelbaren Umgebung stammte. Denn die Funde verweisen auf einen frühen Fürsten und Heerführer, der aus dem hohen Norden, von der Gegend der mittleren Elbe stammte. Das Grabinventar bestand neben reichen germanischen Waffen auch aus eindeutig augusteischem Fundmaterial, dass verblüffende Ähnlichkeiten zum Hildesheimer Silberschatz hat. Letzterer gilt als einer der ganz wenigen Relikte der Beute aus der Varusschlacht. Marbod kommt für die Grablege nicht in Frage, denn diese lebte bis 37 n.Chr. im römischen Exil in Ravenna, 600 km Luftlinie von seiner Heimat entfernt, wo er eines natürlichen Todes starb.

Obwohl das ehemals sicher unglaublich reiche Grab gründlich geplündert wurde, entging den Grabräubern doch noch einiges außerhalb des von ihnen sorgfältig ab getäuften Schachtes, den sie nachher auch wieder genauso sorgfältig verschlossen. Darunter auch ein germanischer Prunkkessel, der mit vier Büsten der immer gleichen Person geschmückt war. Diese Büste ist in ihrer Natürlichkeit weit außerhalb dessen gewesen, was germanische Künstler zu dieser Zeit hätten schaffen können. Der Bronzeschmied der diese Büsten nach römischen Qualitätsbegriffen anfertigte muss wohl aus Brigeto, auf der römischen südlichen Donauseite gelegen, gestammt haben. Wie dieser aber dorthin kam, oder ob er entführt wurde zu diesem Zwecke, es bleibt zunächst im Dunkel der Vergangenheit verschlossen.

Nun, wer aber kann der herausragende Fürst gewesen sein? Aufgrund der aus den archäologischen Befunden dem Verstorbenen zu zuordnende außerordentlichen Bedeutung, seinem Faible für römische Kunstgegenstände, seine überregionale Bedeutung als Feldherr und seine nördliche Herkunft, der augusteische Schatz, der sichere Ausschluss Marbods, das und vieles mehr, lässt eigentlich nur einen sinnfälligen Schluss zu: Es handelte sich bei dem Beerdigten um die Person, den die Römer „Arminius“ nannten.

Das Arminius in 17, letztlich erfolgreich, gegen den Böhmer Marbod zog, ist überliefert. Der Grund warum er danach sicherlich an die Donau und von dort aus vielleicht noch weiter vorstoßen wollte, auch: Seine Frau und sein Sohn, den er nie gesehen hat, lebten ebenfalls im römischen Exil, in Ravenna. Dass ihn das schwer traf, und dass er wegen des Umstandes, dass er sich Frau und Kind von Germanicus rauben ließ in seiner Ehre als Feldherr angegangen wurde, ist ebenfalls von Tacitus verbürgt. Arminius konnte unmöglich im Teutoburger Wald hocken und auf Besserung warten. Auch die bezeugte Tatsache das der Chatte Adgandestrus in Rom, was wohl eher heißt „bei den Römern“, angeblich um Gift für einen Mordanschlag nachfragte, dürfte mit dem Umstand, dass sich die beteiligten Personen dieser römisch-germanischen Intrige allesamt in unmittelbarer Nähe der römischen Nordgrenze aufhielten, am ehesten zu erklären sein. Denn in der Tat wären sonst die Kommunikations- und Handlungswege für diese letztlich erfolgreiche Intrige viel zu weitläufig gewesen.

Die vier Köpfe an dem Prunkkessel haben nach dem Befund kleine Unterschiede auf zuweisen, wobei diese erkennen lassen, dass sich der Bronzeschmied langsam an den Porträtierten heran arbeitete, um schließlich das oben zu sehende Meisterstück zu schaffen. Eine Besonderheit dieser Büsten ist übrigens, dass der Porträtierte relativ große Ohrmuscheln besaß.

 

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