III - Die Okkupation

Die Stiefsöhne des Augustus, Drusus (38v.-9n.Chr.) und Tiberius (42v.-37n.Chr.) begannen nunmehr mit der Eroberung Germaniens. Über die Frage, ob die Vorverlegung der Rheingrenze auf eine neue Elbegrenze, und somit die Errichtung einer weiteren Provinz Germanien, vorab eine strategische Planung war oder ob es Rom nur um eine Vorfeldverteidigung der gallischen Ostgrenze ging, ist unter Historikern umstritten. Das außerordentlich planmäßige Vorgehen sowie die allgemeine Stimmung im damaligen Rom lassen ersteres vermuten.

Denn hinter der Vorlage seines Adoptivvaters Caesars, die Eroberung neuer Provinzen für Rom, mochte Augustus kaum zurückstehen und nach der überlieferten Belletristik der Zeit wurde dies vom Volk geradezu gefordert. Im nachhinein, als der Krieg verloren war, mochte man in Rom dies verständlicherweise nicht mehr so sehen. Römische Historiographen liefern uns daher tendenziell das Bild einer notwendigen Vorwärtsverteidigung.

In 15 v.Chr. eroberten die Brüder ohne große Probleme Raetien, d.h. das nördliche Alpenvorland bis etwa zur Donau. Im Jahre 12 v.Chr. traf Drusus auf wenig Widerstand der Markomannen im Neckar/Maingebiet die in der Folge ostwärts nach Böhmen abwanderten. Genial und wegweisend für spätere Weltmächte war sein Einsatz der römischen Kriegsflotte: die classis germanica wurde über einen Kanal zwischen Niederrhein und Isselmeer beim holländischen Vechten, die fossa drusiana, die verkürzte Einfahrt in die Nordsee ermöglicht. So konnte Drusus über die Mündungen der Flüsse Ems, Weser und Elbe schnell und tief in die norddeutsche Tiefebene eindringen und die dort lebenden Stämme, so die Friesen und Chauken, unter Kontrolle bringen.

Den härtesten Brocken für die Augustussöhne stellte jedoch das mitteldeutsche Bergland zwischen dem Main im Süden und der Mittelgebirgskante am norddeutschen Tiefland dar, deren nördlichster Abschnitt durch das Wiehengebirge gebildet wird, und in dem unwegsame Gebirge wie z.B. Rothaargebirge, Rhön, Thüringerwald, Harz und nicht zuletzt auch der vergleichsweise harmlos erscheinende Teutoburgerwald liegen.

Ziel Elbeknie

Auch hier verzeichnete Drusus relativ schnell einen Erfolg, in den Jahren 11-9 v.Chr. erreichte er bereits das strategisch wichtige Elbeknie, wobei er sowohl die Südroute von Mainz (Mogontiacum) aus durch chattisches Gebiet (archäologisch: Legionslager Hedemünden) als auch die später so wichtige zentrale West-Ost-Lipperoute zum Elbeknie eröffnete. Es wurden die späteren Hauptgegner, die Chatten (die späteren Hessen) und die Cherusker, der Name kommt vermutlich von herut (Hirsch), das Hirschvolk, unterworfen.

Die West-Ost-Achse Castra Vetera – Elbeknie ist die geographisch kürzest mögliche Verbindung zwischen Rhein und Elbe und deren Beherrschung war daher von strategischer Bedeutung. Drusus überschritt, als er im Gebiet der Cherusker beim heutigen Magdeburg die Elbe erreichte, diese nicht. Angeblich weil er sich von einer riesenhaften germanischen Seherin mit der Weissagung seines baldigen Todes davon abhalten ließ.

Es mag eine Legende sein oder nicht, seine Beweggründe dürften eher logistisch gewesen sein: Eine Versorgung der Truppen östlich der Elbe war mit Hilfe der classis germanica nicht mehr möglich; Jütland (Dänemark) sperrt den möglichen Weg in den nächsten Nord-Südfluss, die Oder. Mit ihrer Weissagung behielt sie jedenfalls recht: Drusus verunglückte kurze Zeit später bei einem Sturz vom Pferd in der Gegend der Saalemündung bei Magdeburg. Auf dem Rückweg mit gebrochenem Unterschenkel verstarb er, möglicherweise in Schellerten (scelerata) wenige Kilometer östlich von Hildesheim. Sein Bruder Tiberius eilte ihm in einem Gewaltritt entgegen, um ihm dort beizustehen.

Drusus wurde anschließend über Mainz nach Rom überführt. In Mainz errichtete man ihm ein Denkmal, den Drususstein, dessen Reste heute noch dort zu sehen sind. Im Jahre 9 v.Chr. waren somit alle strategisch wichtigen Ziele erreicht, ganz Germanien zwischen Rhein und Elbe besiegt. Jedoch war diese Eroberung noch nicht gefestigt. Die Legionen mussten über weite Strecken versorgt werden, mussten sich spätestens zum Winter wieder zu ihren Rheinbastionen zurückziehen und waren auch viel zu wenige, um das ausgedehnte Gebiet tatsächlich zu besetzen.

Die Eroberung Germaniens:

Nur zwei Flüsse durchschneiden Germanien in West-Ost-Richtung: Der Main und die Donau. Deswegen wurde der Süden Germaniens schnell erobert. Ebenfalls wurden die nördlichen Küstengebiete früh erobert wo die Classis Germanica, die römische Flotte, entlang der Flüsse Ems, Weser und Elbe frei operieren konnte.

Das bergige Kernland zwischen Main und nördlicher Mittelgebirgskante dagegen war vergleichsweise unzugänglich und konnte nie nachhaltig unterworfen werden. Insbesondere die Chatten und Cherusker leisteten erbittert und erfolgreich Widerstand. Die Hermunduren machten etwas weniger antike Schlagzeilen, denn diese waren zwar prinzipiell über die Elbe erreichbar, allerdings wegen der enormen logistischen Ausgesetztheit schwer unter Druck zu setzen.

Während die Chatten, aufgrund ihrer Rheinnähe besser zu bekämpfen waren, saßen die Cherusker im Herzen Germaniens und blockierten das strategisch so wichtige Elbeknie bei Magdeburg.

Die Gebiete östlich der Elbe waren vorläufig noch viel zu ausgesetzt, um sie zu okkupieren. Und hinter den südöstlichen Gebirgszügen konnte sich das Reich des Marbods ab etwa 8 v.Chr. gut verschanzen.

 

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