VI - Marbod
Nach der zweiten scheinbar endgültigen Unterwerfung der Cherusker und der personellen Einbindung der entscheidenden Familien schien spätestens ab dem Jahre 5 somit der Weg frei für eine Provinz Germanien, die man nach dem Muster Galliens ausbauen und zur tributpflichtigen Goldgrube machen konnte. Es gab nur noch eine letzte Bedrohung für Rom, nämlich ausgerechnet Marbod, der von Drusus aus dem Raum zwischen Neckar, Main und Donau auf das Gebiet des späteren Böhmen und Mähren (heute Tschechische Republik) vertrieben wurde.
Marbod hatte als erster germanischer Fürst etwas geschafft, dass Arminius erst noch versuchen musste, nämlich aus egoistischen Stämmen und Familien ein funktionierendes Königtum aufzubauen, das nach römischem Vorbild verwaltet und mit einer bis zu 70000 Mann starken Armee ausgestattet war. Marbod war in Germanien seiner Zeit genauso voraus wie auch der hochintelligente Arminius, nur war sein Geist nicht ganz so feurig.
Marbod setzte auf Taktieren und Verständigung nach allen Seiten, wobei er es auch nicht an königlichen Eitelkeiten fehlen ließ. Ein Verhalten, obwohl eigentlich nicht unklug, dass im aufgrund seiner Unentschlossenheit in entscheidenden Momenten aber noch seine Macht kosten sollte.
Zunächst einmal rüstete nun Tiberius zum Krieg gegen Marbod. Er mobilisierte alles was an Legionen in Germanien zu kriegen war, sicher auch germanische Hilfstruppen unter der Führung des Arminius, für eine wiederum groß angelegte Zangenoperation gegen Böhmen/Mähren. Ein Teil der Zange sollte etwa aus der Gegend von Wien von Süden her auf Marbods Reich vorstoßen, der andere Teil aus Norden oder Westen kommend. Man nimmt an, dass das Lager Marktbreit (östlich von Würzburg) am Main in diesem Zusammenhang zu sehen ist. Es wurde nach dem archäologischen Befund kurzfristig angelegt, nahm aber niemals eine Besatzung auf.
Denn als die Operation Marbod begann, brach der pannonische Aufstand aus. Dies führte zu einem sofortigen Abbruch des Unternehmens und der Verlagerung der Truppen nach Süden. Pannonien, das heutige Ungarn, liegt nämlich strategisch ungünstig für Rom: von dort aus ist die östlich Umgehung der Alpen möglich und die lebenswichtige Poebene liegt offen vor dem Feind. Diesen Aufstand niederzukämpfen war also weit überlebenswichtiger als das neu entstandene Königreich des Marbods zu liquidieren.
Marbod war somit glücklich davongekommen. In der weiteren Abfolge der Konflikte versuchte er jedoch immer seine Neutralität zu wahren. Weder unterstützte er die pannonischen Stämme gegen Rom noch Rom gegen die Pannonier, weder später Rom gegen Arminius noch Arminius gegen Rom. Das es manchmal wichtiger ist einen starken Freund als wie keine Feinde zu haben, diese Erkenntnis musste er dann später machen.
Böhmen und Mähren, in etwa das Kernsiedlungsgebiet des Marbodreiches nach der Vertreibung aus Südgermanien. (Bildquelle: Wikipedia).