X - Kriegsjahr 15 n.Chr.

Im Jahre 15 begann dann Germanicus mit systematischen Angriffen um wie sein Vater Drusus das Gebiet bis zur Elbe wieder zu erobern. Zunächst griff er über die Wetterau erneut die Chatten an und zerstörte deren Hauptort Mattium (noch nicht sicher lokalisiert, irgendwo zwischen Wiesbaden, Marburg und Kassel). Bei alledem gingen die Chatten einer offenen Schlacht geschickt aus dem Wege.

Germanicus befand sich bereits auf dem Rückzug, als ihn der Hilferuf des Segestes durch einen dessen Boten erreichte: Segestes wurde auf seiner Burg durch Arminiustruppen belagert und bat um Unterstützung. Germanicus nahm die Gelegenheit wahr und half Segestes aus der Patsche. Segestes zeigte ausreichend Reue und Romtreue und kam in römisches Exil; sein Sohn Segimund wurde trotz seiner Beteiligung an der Varusschlacht  wieder als Priester am Altar der Ubier (Köln) eingesetzt.

Segestes übergab dagegen seine Tochter Thusnelda, die von seinem verhassten Schwiegersohn Arminius schwanger war, dem Germanicus, der sie als Trophäe mit nach Hause nahm. Wenig später gebar sie in Gefangenschaft den Arminiussohn Thumelicus mit dem sie in Ravenna festgesetzt wurde. Über das weitere Schicksal der Beiden weiss man wenig, nur Tacitus hat uns eine einzige Zeile dazu überliefert: (tac.ann.1,58) "... Der Knabe wuchs in Ravenna auf. Von dem Spiel, dass das Schicksal später mit ihm getrieben hat, werde ich zu gegebener Zeit berichten...". Nun der Bericht blieb bis heute aus. Was mit dem Spiel gemeint war bleibt völlig unklar. Manch einer mochte darin aber gerne die Gladiatorenspiele sehen, da in Ravenna eine Gladiatorenschule beheimatet war, aber dass ist freie Interpretation. Jedenfalls war er im Jahre 47 aufgrund einer anderen Tacitusstelle ziemlich sicher tot, und verantwortlich dafür war irgendein böses Spiel.

Nun, der Raub bzw. die Auslieferung der schwangeren Thusnelda war ein fürchterliches und unerwartetes Ereignis für Arminius: Tacitus beschreibt wie völlig aufgelöst und irre voll ohnmächtiger Wut er war, als er kurz darauf davon erfuhr. Genauso wie das fürchterliche Marsermassaker hatte diese weitere niederträchtige Tat jedenfalls einen Effekt: Es brachte die notorisch zerstrittenen germanischen Stämme sechs Jahre nach der Varusschlacht wieder zu einer stabilen Einheit zusammen. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass in der Nachsicht der Thusneldaraub für Germanicus den größten greifbaren Erfolg in diesem Krieg darstellte und gleichzeitig die kommende Niederlage erst ermöglichte.

In der zweiten Hälfte 15 setzte Germanicus dann den Cheruskern zu, er griff mit drei Heeresgruppen an: Eine Gruppe unter seinem General Caecina, eine Gruppe unter dem Reitergeneral Pedo und eine Gruppe unter seiner Führung. Dabei kam er selbst wohl per Flotte über die Ems. Er nutzte die Gelegenheit um den Ort der Varusschlacht aufzusuchen, wo er die dort noch immer vor sich hin bleichenden Gebeine der gefallenen Römer begraben lies. Er musste dort bereits Attacken durch Arminiustruppen hinnehmen, zu entscheidenden Auseinandersetzungen kam es aber nicht.

Schliesslich führte er die drei Heeresgruppen an der Ems, vermutlich in der Gegend zwischen Rheine und Lingen, wieder zusammen und schickte alle auf verschiedenen Wegen zu den Rheinlagern zurück. Auf dem Rückzug kam dann Caecina mit vier Legionen bei den pontes longi, den langen Brücken, in Bedrängnis. Er wurde gefährlich eingekesselt und hätte ähnlich dem Varus eine ordentliche Niederlage beziehen können, wenn er nicht seinen Tross der ungezügelten Beutelust der Germanen überlassen und die Gelegenheit für die Flucht genutzt hätte.

Das Ergebnis der 15er Kampagne war für Germanicus, dass er nun wusste wie er eine Chance haben könnte, Germanien wieder zu erobern. Klar geworden war, dass der Landweg kaum beherrschbare Risiken barg und nur der Seeweg über die Nordsee in die Flüsse Ems und/oder Weser, durch das Gebiet der noch romtreuen Friesen und Chauken fahrend, absehbare Erfolgsaussichten hatte. Denn nur so konnten die Truppen ohne große Verluste und Entkräftung nahe genug an das Cheruskergebiet zwischen Teutoburger Wald, Nordharz und Elbe herangeführt werden.

Ein anderes Ziel dürfte ihm auch klar geworden sein: da eine dauerhafte Besetzung eroberter Gebiete, auch über den Winter hinweg, aus logistischen Gründen nicht möglich war, konnte nur eine völlige Vernichtung der Cherusker den Erfolg sichern.

Der  Hildesheimer Silberschatzes. Der 55 Kg schwere Silberfund besteht aus der Hälfte des Geschirrs einer Offiziersgemeinschaft. Er stammt sicher aus augustescher Zeit und ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein, allerdings nur sehr kleiner, Teil der Varusbeute.

 

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